Deutsch-Französisches Institut
Arbeitsgemeinschaft, Elternvereinigung und Förderverein der Gymnasien mit zweisprachig deutsch-französischem Zug in Deutschland (LIBINGUA)

Straßenbahn über die Staatsgrenze: Jetzt wird gebaut

von Bärbel Nückles

Lang erwartet, mehrfach gestoppt, nun feierlich begonnen: Die Tram zwischen Straßburg und Kehl bringt der Region Wachstum.

Eine Montage aus dem Jahr 2009 zeigt, wie die Straßenbahn in Kehl einmal aussehen könnte. Foto: Montage Stadt Kehl

Nach jahrelanger Planung mit Zwangspausen ist der Bau einer Straßenbahn zwischen den Nachbarstädten Straßburg und Kehl feierlich gestartet worden. "Die deutsch-französische Freundschaft braucht konkrete Projekte wie dieses", sagte Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) am Mittwoch am Straßburger Rheinufer beim Spatenstich.1

Deutsche und Franzosen finanzieren die grenzpassierende Tram über den Rhein gemeinsam mit rund 115 Millionen Euro. Im Juni 2016 soll die neue Trasse2 in Verlängerung des Straßburger Tramnetzes bis vor den Bahnhof Kehl führen. Danach wird sie zum Rathaus der Stadt weitergebaut und bildet das Rückgrat3 eines grenzüberschreitenden Ballungsgebiets4.

Eine Straßenbahnlinie als historischer Wiedergänger

Finanziell ist es ein Kraftakt5, der auf beiden Seiten nur mit staatlicher Unterstützung möglich war. Vom deutschen Anteil, 52 Millionen Euro, stammen mehr als 25 Millionen aus Landes- und Bundesmitteln. Unterstützung kam auch aus Brüssel über die Interreg-Förderung.

Der Straßburger Oberbürgermeister Roland Ries betonte den Vorbildcharakter des Projekts für andere Grenzregionen. Für den scheidenden6 Kehler OB Günther Petry, der die Tram maßgeblich mit durchgesetzt hatte, liegt die Zukunft seiner Stadt ohnehin in ihrem Bezug zu Straßburg. Ohne die Hartnäckigkeit der beiden Bürgermeister wären die Pläne wohl nicht so weit gediehen. Am vergangenen Montag erst hatte der Straßburger Präfekt den Planfeststellungsbeschluss7 unterzeichnet.

Von Straßburg aus führt die Tram künftig von der bisherigen Endhaltestelle der Linie D zwei Kilometer nach Osten, überquert auf Straßburger Territorium das Vauban-Hafenbecken, über das eine erste Brücke gebaut werden muss, und verläuft neben den ehemaligen Zollhof8-Arealen zwischen der Europabrücke und der Eisenbahnbrücke auf einer neu zu bauenden Brücke über den Rhein. In nur 20 Minuten befördert die binationale Straßenbahn ihre Fahrgäste in zwei Jahren von Stadtzentrum zu Stadtzentrum.

Nutzen einmal 50.000 Menschen am Tag die Tram?

Die Straßenbahn Kehl-Straßburg ist ein historischer Wiedergänger: Ende des 19. Jahrhunderts, als Straßburg und das Elsass dem deutschen Kaiserreich angehörten, fuhr schon einmal eine Bahn über den Rhein. Hundert Jahre später kam die Idee einer neuerlichen Verbindung zusammen mit Plänen für einen grenzüberschreitenden Park am Rhein auf. Dieser entstand tatsächlich zur Landesgartenschau 2004. Die neue Straßenbahn lag allerdings nach dem Machtwechsel im Straßburger Rathaus 2001 auf Eis. 2008 waren die Sozialisten wieder am Ruder9 und nahmen das Projekt von Neuem auf.

Dabei lagen und liegen die Vorteile auf der Hand: Die Tram entlastet die Umwelt, vermeidet Staus und schafft Lebensqualität. Auf Straßburger Seite entstehen an der Strecke auf ehemaligen Industrie- und Hafengeländen neue Quartiere mit Wohnungen für 20.000 Menschen. Befragungen und Berechnungen zufolge könnten mittelfristig 40.000 oder gar 50.000 Menschen täglich im Eurodistrikt Straßburg-Ortenau auf die Tram umsteigen.

Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung am 27.02.2014. - Online verfügbar unter http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/strassenbahn-ueber-die-staatsgrenze-jetzt-wird-gebaut--81267006.html

Wortschatzliste

1der Spatenstichle coup de pioche =le début du chantier
2die Trassele tracé de la ligne
3das Rückgratl’échine
4das Ballungsgebietl’agglomération
5ein Kraftaktun grand effort
6der scheidende Bürgermeisterle maire sortant
7die Planfeststellungla fixation du plan
8der Zollhofla douane
9« am Ruder sein »être au pouvoir

Aufgaben

  1. Beschreibe den Verlauf der neuen Tramstrecke.
  2. Nenne die Kosten für das erweiterte Tramnetz.  Aus welchen Mitteln wird die Tram bezahlt?
  3. Zu welchem Anlass wurde die Idee einer Straßenbahn über den Rhein wieder aufgegriffen?
  4. Nenne die Zielgruppe der Straßenbahnbenutzer. Welche potentiellen Fahrgäste könnten die Tram benutzen?