Deutsch-Französisches Institut
Arbeitsgemeinschaft, Elternvereinigung und Förderverein der Gymnasien mit zweisprachig deutsch-französischem Zug in Deutschland (LIBINGUA)

Gegnerschaft der Energiewende

Tatsächlich gibt es allen Grund, optimistisch zu sein: Im Jahr 2011 verabschiedete1 die EU eine verbindliche Roadmap, die vorsieht, dass alle Staaten den Anteil der erneuerbaren Energien an ihrer Stromversorgung bis zum Jahr 2050 auf 80 Prozent erhöhen. Damit leitete die Politik in Europa einen Prozess ein, der einen vollständigen Umbau der Energieversorgung zum Ziel hat. In absehbarer Zukunft sollen C02-emittierende Kohlekraftwerke - in Deutschland auch die Atomkraftwerke - durch umweltverträglichere2 Energien ersetzt werden, an denen die erneuerbaren einen hohen Anteil haben. - Wo also liegt das Problem? Wieso ist Deutschlands Energieversorgung in Gefahr? Was spricht dagegen, den begonnenen Umbau in der geplanten Weise fortzusetzen?

Gegen Neuerungen sprechen immer zwei Dinge: erstens der alte Besitzstand. Und zweitens: die grundsätzliche Angst des Menschen vor dem Neuen. Wer an der herkömmlichen Energieversorgung gut verdient, wird alles gegen Veränderungen tun, die seine Position gefährden. Für die Energieversorger3, die auf fossile Brennstoffe und Atomkraft setzen, stellen Ökostromanbieter eine ernst zu nehmende Konkurrenz dar. Und so kommt es, dass diejenigen, die im Energiemarkt bestens aufgestellt sind4, alles tun, um bei den Menschen - ihren Kunden - die Angst vor Neuerungen zu schüren. Das ist eine ihrer stärksten Waffen im Kampf um Strom. Die anderen, das sind die Politiker, die es zu überzeugen gilt. Denn am Ende entscheidet der Wähler.

Die Lobby der großen Energieversorger und ihre politischen Vertreter überschütten uns mit irreführenden5 Behauptungen und Fehlinformationen. Diese Vorgehensweise6 wird einerseits flankiert7 von Polemiken, die längst überwunden geglaubte Ressentiments wiederbeleben. Andererseits ist sie unterfüttert8 von wissenschaftlichen Studien, in denen die Daten im eigenen Interesse gerechnet und gedeutet werden. So werden wir manipuliert und fangen an, den abschreckenden Horrorszenarien von der Ökostromkatastrophe Glauben zu schenken. Es ist beängstigend, wie erfolgreich diese Strategie in den letzten Monaten aufging9. Es ist ebenso beängstigend, dass eine vernünftige Politik, die nicht nur den großen Umweltproblemen unserer Zeit begegnet, sondern zudem die Wirtschaft stärkt, neue Arbeitsplätze schafft und Deutschland weltweit zum Technologiemarktführer machen kann - dass diese Politik von geldmächtigen, aber zahlenmäßig geringen Lobbyisten torpediert wird. (...)

Nicht normal, sondern in hohem Maße beunruhigend ist, was in einem Bericht der ARD-Sendung »Monitor« am 10. September 2012 so formuliert wurde: »Politik muss beeinflusst werden. Das ist nicht verwerflich10, denn nur so können gute Entscheidungen entstehen, beim Streit über den besten Weg. Wenn aber das Geld darüber bestimmt, wer am Ende gehört wird, dann ist das der Ausverkauf der Demokratie. « Die Gegner der Energiewende bilden eine geldmächtige Lobby. Sie sind dadurch lauter und einflussreicher als die Lobby ihrer Befürworter. In ihrem zunehmenden Erfolg sehe ich eine Gefahr (...).

Quelle: Kemfert, Claudia: Kampf um Strom : Mythen, Macht und Monopole. - 7. Aufl. - Hamburg : Murmann, 2013. - ISBN: 978-3-86774-257-3. - S. 11 - 13 u. S. 22.

Vokabular

1verabschiedense mettre d’accord sur
2umweltverträglichce qui protège l’environnement
3Energieversorger (m.)L’Etat (en France), les grandes sociétés d’actions qui produisent et vendent l’énergie (en Allemagne)
4aufgestellt seinêtre placé
5irreführendtrompeur
6Vorgehensweise (f.)procédé
7flankierenaccompagner
8unterfüttert seinêtre basé sur
9aufgehenici: avoir du succès
10verwerflichgrave

Aufgabenstellungen:

  1. Stellen Sie die Interessen  und die Vorgehensweise der Gegner der Energiewende dar.
  2. Recherchieren Sie die Kapitalbesitzer der vier großen Energieversorger in Deutschland (RWE, EoN, EnBW und  Vattenfall).
  3. Stellen Sie die Unterschiede zwischen den Energieversorgern in Deutschland und Frankreich (Electricité de France) dar und begründen Sie deren gleiche Strategie in der Interessenvertretung.